Sonntag, 2. September 2007

Hyderabad

Hyderabad (wiki) liegt etwa 700 km noerdlich von Chennai. Es ist ziemlich zeitintensiv diese Distanz mit dem Zug zu ueberwinden, deshalb haben wir uns fuer die Billigfluggesellschaft Air Deccan (wiki) entschieden (Flugzeit: 55 Minuten - demgegenueber stehen 14 Stunden Zugfahrt; 3000 Rb (60 Euro) vs 600 Rb (11 Euro)).
Hyderabad ist die die Hauptstadt von Andhra Pradesh und mit 5.8 Millionen Einwohnern die 5. groesste Stadt Indiens. Neben Bangalore ist Hyderabad der wichtigste IT-Hub Suedindiens und wird deshalb auch Cyberabad gennannt (Wer denkt sich eigentlich solche bloeden Namen aus? Spassvoegel?).
Die Stadt ist das Zentrum islamischer Kultur in Indien. Um die signifikante Anzahl islamischer Gebetswilliger in einem gemeinsamen Gebetshaus unterzubringen wurde 1614 die MECCA MASJID gebaut. Angeblich soll u.a. Sand aus Mecca fuer den Bau dieses eindruckvollen Gebaeudes verwendet worden sein. Mit ueber 10.000 Teppichplaetzen ist diese Moschee eines der groessten Gebetshaeuser Asiens. Eines der ersten Ziele unseres Besuches in Hyderabad war deshalb Alt-Hyderabad mit eben dieser Moschee und der beeindruckenden Charmina. Die Charmina ist das Wahrzeichen Hyderabads. Sie ist ein 56 m hoher und 30 m mal 30 m flaechiges Gebaeude mit jeweils einem riesigen Bogen (Arch) zu jeder Seite. Jedes Eck ist mit einer ansehnlichen Minarette ausgestattet. In jeder dieser Minaretten kommt man ueber eine schmale alte Wendeltreppe u.a. in den 2. Stock der Charmina und damit in die aelteste Moschee Hyderabads. Von hier kann man einen phantastischen Blick auf Alt-Hyderabad geniessen.

Mit der Charmina begann nicht nur unsere Entdeckungsreise durch Hyderabad, sondern auch eine unfreiwillige Reise in die armselige Welt von Strassenkinder. MECCA MASJID, Charmina und der Laad Bazar sind die Eckpfeiler von Alt-Hyderabad, Patthargatti. In diesem Viertel wurden wir permanent umringt von 5 bis 10 Kindern im Alter von ca. 8 Jahren. Alle trugen sie irgendwelche kitschigen Souvenire mit sich rum, die sie zum Verkauf anboten. Aber halt. Mit ausgepfeilter Strategie. Nicht einfach “Bitte kauft die wunderschoene goldene Haarnadel”. Vorher wurde investiert. Mit Ratschlaegen wie “passt auf eure Taschen auf, hier sind etliche Diebe unterwegs” oder “gebt Obacht im Strassenverkehr von Hyderabad - erst nach rechts dann nach links gucken”. Die Kleinen, sie tollten um uns herum, nahmen uns an die Hand beim ueberqueren der Strasse, folgten uns barfuessig in die Moschee, sprangen uebergluecklich in jedes Foto rein und fragten uns neugierig ueber unsere Herkunft, Haarfarbe und Groesse aus. Die suessen Kleinen. Nach etwa 1½ Stunden wurden sie dann etwas ungeduldiger und offenbarten erste wahre Absichten. Natuerlich wollten sie uns irgendwelche Ketten verkaufen. “Sir, Sir only 200 Rubien”. Mit jeder Minute wurden die “kleinen Suessen” aufdringlicher und komischerweise wurden aus 5 Kindern ploetzlich 10 Kinder, die alle permanent neue Angebote ausriefen. Trotz mehrmaligen Appellen, dass wir heute nicht an ihren Ketten und Haarnadeln interessiert seien, wurden die Angebote heftiger und aufdringlicher. Nach einiger Zeit und dem Wechselspiel aus Angeboten und geduldigen Appellen, mischten sich unter die Ausrufe der Kids erste leise Beleidigungen wie Luegner, Nichtsnutz, etc. Irgendwie - ich kann mir gar nicht erklaeren wie - verlor die Gruppe von 10 Kids ploetzlich ihr Interesse am Verkauf, fand aber dafuer Spass an kleinen Neckereien wie schubsen und schnell wieder Wegrennen hier, am Rucksack zupfen dort. Irgendwann verlor auch ich - als die Geduld in persona - dieselbige und forderte sie hoeflich auf endlich zu verschwinden. “Ihr kleinen Pisser, haut endlich ab. Wir wollen euren Schrott nicht kaufen” (zumal wir ihnen vorher schon eine kleines Trinkgeld fuer ihre anfaenglichen Hoefligkeiten gegeben haben). “Saecke ihr.” Das Ende der Geschichte ist, dass wir mit einer Autoricksha FLUECHTEN, FLIEHEN mussten und mit tennisballgrossen, dafuer aber angespitzen Steinen verabschiedet worden sind. Die kleinen Suessen … Arschloecher.
Entschuldigung fuer einige Worte, die ich natuerlich sonst nicht verwende. Musste sie fuer diesen Zweck auch erst mal nachschlagen.

Verarbeitet haben wir diese Eindruecke im Paradise Restaurant bei fantastischem Byriani. Byriani ist ein riesiger Berg gebratener Reis. In diesem Berg findet man nach geraumer Zeit und intensiver Suche ein ganzes gekochtes Ei und ein ganzes gekochtes Huhn. Oder vielleicht doch nur Teile des Huhns? In jedem Fall ist das Ei ganz. Uebrigens ist Hyderabad im gesamten Land fuer sein koestliches Byriani bekannt. Und es war tatsaechlich ein Traum in Reis, Ei und Huhn.

Ein weiteres Highlight in Hyderabad ist das Colkonda Fort. Diese Befestigungsanlage wurde im 12. Jhd. erbaut und ist ein Meisterwerk der Ingenieurs- und Verteidigungskunst. Die Zitadelle befindet sich auf einem 120 Meter hohen Granithuegel, der umgeben ist von einer Vielzahl von Schutzmauern (etlichen inneren Schutzmauern und aeusseren Schutzwaellen). Nur die massiven Eingangstore, die mit riesigen Spitzen versehen worden sind, um sich gegen Kampfelephanten zu schuetzen, bieten Zugang zum Fort. Herausragend zu dieser Zeit war die innovative Wasserversorgung, die nat. ueberlebenswichtig fuer die Fort-Bewohner war. Das Wasser wurde in riesigen Wasserspeichern am Fusse des Huegels gespeichert und ueber ein Pipelinesystem in die Zitadelle gepumpt. Dreckiges Wasser wurde in seperaten Pipes entsorgt.
Scheint mir ziemlich revolutionaer gewesen zu sein, noch heute koennen sich einige indische Staedte wie z.B. Chennai Lehrstunden an diesem System nehmen. Bezueglich Chennai habe ich naemlich leichte Zweifel, ob das mit dem Wasserver- und Entsorgungssystem ganz verstanden wurde. Zur Verteidigung der Stadt muss ich aber schreiben, dass die Infrastruktur - zumindest in einigen Stadtteilen -vorhanden ist. Jedoch werden alle moeglichen freien Loecher in Erde und Strasse - also auch Gullies - als Muellablageplaetze verwendet. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass in regenreicher Zeit die Strassen in Hochgeschwindigkeit unter Wasser stehen. Aber hier wundert sich darueber auch keiner. Easy way, easy going.
Zurueck zu Fort Golkonda. Nicht nur das Wasserversogungssystem ist einigermassen beeindruckend, sondern auch die ausgekluegelte Akkustik. Das Fort-Konstruckt wurde so konzipiert, dass am Eingang, im Grand Portico, das leiseste Geraeusch ein Echo erzeugt und so in der der Zitadelle zu hoeren ist. Folglich muss jeder Furz eines Wachmannes fuer ein Gewitter in der Zitadelle gesorgt haben. Ach nee, von Hochleistungsverstaerkern habe ich eigentlich nichts gehoert. Jedenfalls ist die ganze Anlage ziemlich hellhoerig. Dank der hervorragenden Akkustik.

PS: Bilder von Hyderabad findet ihr hier (alt. "Meine Bilder")

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Fantastisch Herr Schröder!

Ganz großes Kompliment für die Rekonstruktion Deines Besuches in Hyderabad! Kleine Kinder die versuchen irgendwelchen Kram an den Mann zu bringen sind mir während meinen "zahlreichen" Reisen in Schwellenländern ebenfalls sehr lästig gewesen. Ich für meinen Teil hatte ein probates Mittel dagegen: ich habe den Kids einfach das Loch in meiner Börse präsentiert und dann auf die schmuckbehagene Freundin gezeigt. Nur Dumm wenn Deine Freundin vorher DEINEN wohlgehüteten Sparstrumpf entdeckt hat und sich ganz selbstlos zeigt um sich dann anschließend auf eine Stufe mit Mutter Theresa zu stellen! Ersatzweise kann man auch auf den mitgereisten solventen Kumpel (tolle Nilkreuzfahrt - oder Dirk?) oder auf den Engländer, der sich morgens noch am Buffet vorbeigedrängt hat, zeigen. Du glaubst garnicht wie schnell sich eine Menschentraube um diese Person entwickelt! Diese kleinen lieben Kinder - sie scheinen Dich zu verfolgen!

Es freut mich auch zu hören, dass Du wieder feste Nahrung zu Dir nehmen kannst bzw. willst! Ich hörte schon, dass Du ein däääärrer Hund geworden sein sollst! Da bin ich mal gespannt, ob ich Dich nach Deiner Rückkehr noch erkennen werde oder ob ich Dich erst vor die Gardinenstange locken muss - Mensch Fredd esse was!

Was mir noch etwas auf der Seite fehlt sind weiter Eindrücke zu Land und Leute bzw. nur Leute und damit meine ich natürlich Frauen! Starte doch mal einen Modellwettbewerb - 'Indias next Topmodell' und stelle uns die Bilder zur Verfügung. Ich denke, dass wäre auch im Interesse der indischen Touristik- und Menschenhandelbranche. Nein - Du weißt ich bin ein strikter Gegner der Ausbeutung: "Ein Mann, eine Stimme, free Africa" - am besten noch heute.

Gut ich beginne erst einmal im "eigenen" Land und leiste Aufbauhilfe im Osten - morgen früh führt mich meine Reise in die Prunkstadt der neuen Bundesländer - nein nicht Rostock - auch nicht Görlitz - es wird Leipzig! Ich meinte Aufbauhilfe natürlich nur im übertragenen Sinn - ich hoffe damit nicht die Gefühle eingiger Blogger verletzt zu haben (wer sich meinen Post bis hierhin durchgelesen hat, bringt ohnehin viel Geduld mit!).

In diesem Sinne - mache weiter so und bis bald - hier oder da!

point