Mittwoch, 11. Juli 2007

Bangalore und die Moderne

In der Innenstadt sind ausschliesslich junge Leute im Alter von 16 bis 30 anzutreffen. Alle studieren sie oder arbeiten fuer eines der vielen Software-Unternehmen. Bangalore ist das Back-Office fuer grosse westliche Unternehmen wie Accenture, Bosch, Intel, Oracle, SAP, Yahoo etc.. Sie rekrutieren sich hier die besten Leute aus der IT-Experten-Fabrik Indiens. Mit einer Bevoelkerung von nahezu 6 Millionen Einwohnern ist Bangalore die viert-groesste Stadt Indiens (nach Dehli, Mumbai und Chennai). Platzprobleme und immense Steigerungsraten der Gehaelter haben in den letzten Jahren allerdings zu einer Abnahme des Bevoelkerungs- und Wirtschaftswachstums gefuehrt. Davon haben uebrigens insbesondere Chennai und Hyderabad profitiert (u. profitieren weiter). Sie ziehen nun verstaerkt auslaendische Investoren an. Ich wohne folglich im Moment im zukuenftigen Silicon Valley Indiens (im uebrigen bietet Chennais Umgebung genug Platz fuer weiteres Wachstum).

Bangaluru (der neue Name fuer Bangalore) liegt etwa 340 km und damit 6 – 7 Zugstunden von Chennai entfernt. Der Fernverkehrszug, der die 38. u. 39. groesste Metropole der Welt und die beiden wichtigsten Wirtschaftszentren und IT-Hubs in Suedindien verbindet, ist somit deutlich langsamer (in durchschnittlicher Geschwindigkeit) als die Strassenbahn von Karlsruhe-Durlach nach Groetzingen. Da ich lediglich ein Wochenende Zeit hatte, habe ich den Nachtzug genommen. Die Nachfrage nach dieser Verbindung ist so gross, dass die Nachtzuegtickets mindestens 2 Wochen vorher gebucht werden muessen. Der Zug war folglich restlos ausgebucht, also jeder Platz belegt, der einer oder andere sogar doppelt und dreifach.

Die Schlafwagenabteile sind alles andere als komfortabel. Ein schmaler Gang fuehrt durch die Wagons. Rechts dieses Ganges finden sich kleine zum Gang offene Abteile mit jeweils drei Stockbetten rechts und links. Links des Ganges befindet sich eine schmale Reihe weiterer Stockbetten. Platz wird folglich ziemlich effizient genutzt. Zumal die Schlafgelegenheiten so kurz waren, dass meine Beine etwa 40 cm in den Gang hineinragten. Zum Glueck fuer meinen Schlaf und vorbeiziehende Inder beschlief ich das oberste Bett. So konnten alle problemlos unter meinen Beinen durchhuschen (und mussten sich dazu nicht einmal buecken). Lange konnte ich sowieso nicht schlafen, da erstens ein seichter Toilettenwind um meine Nase wehte und zweitens Laermgeraeusche meine Ohren belaestigten (was sicherlich damit zu erklaeren ist, dass es im ganzen Zug keine Tueren gab). Die Zugfahrt war aber eine weitere grossartige Erfahrung mit oeffentlichen Verkehrsmitteln in Indien.

Die Innenstadt Bengalurus ist eine riesige Shoppingmal und hat fuer die, die nur bedingt Spass am einkaufen haben, nicht viel zu bieten, abgesehen von den fuer indische Grossstaedte aussergewoehnlich vielen Gruenflaechen und den sehr angenehmen klimatischen Bedingungen (was im uebrigen auch ein Standortfaktor fuer die Untermehmensansiedlungen war). Was die Stadt allerdings insbesondere fuer junge Leute attraktiv macht, ist die Lebensweise der Bangalurus, die im krassen Gegensatz zu der in Chennai steht. Es gibt Pubs, Discotheken und in Restaurants ist sogar Bier erhaeltlich. Zudem konnte ich tatsaechlich Frauen mit koerperbetonter Kleidung sehen und – Schock, haltet euch fest – haendehaltende Paare in der Fussgaengerzone. Ich meine sogar Paerchen gesehen zu haben, die noch einen Schritt weiter gegangen sind. Es wurde gekuesst. In Chennai waere das ein absoluter Tabubruch, eine Vergewaltigung der Sitten und eine Ohrfeige fuer jeden, der soetwas beobachten muss. Inzwischen wuerde sogar ich mich in Chennai angegriffen fuehlen, wenn mir so eine Schande unter die Augen kommt. Es geht also vergleichsweise locker in Bangalore zu …

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wie wirst du eigentlich von der heimischen Bevölkerung aufgenommen? Ist ein Europäer noch etwas besonderes oder lässt man dich in Frieden? oder beides? :-)

Anonym hat gesagt…

Hi Murat, hier in Chennai sind Europaer aeusserst rar. Deshalb ist man immer und ueberall Attraktion. Die Leute sind aber unheimlich freundlich. Jeder will mir seine Hand geben und fragt mich woher ich komme und wie ich Indien finde. Besonders meine Groesse (Koerperlaenge) muss bei vielen ziemlichen Eindruck machen. Ein weisser Riese in Chennai. Die schoensten Erlebnisse habe ich vor allem mit kleinen Kindern machen koennen, sie kommen zu mir, strecken mir ihre kleinen Haendchen entgegen, strahlen ueber das ganze Gesicht, fragen mich nach meinem Namen und rennen dann total aufgeregt und beglueckt zu ihren Eltern zurueck. Awesome. Allgemein faellt mir in Chennai auf, dass die Menschen eine von Grund auf positive Einstellung zum Leben haben (egal in welcher misslichen Lage sie sich befinden). Wenn man kein direkten Lachen beobachten kann, sieht man zumindest ein Lachen und einen positiven Blick in den Augen.
In Bangalore sind Europaer und Amerikaner allerdings keine Seltenheit, insofern sind die meissten dort nur am Geldbeutel interessiert, nicht aber an der Person.

Anonym hat gesagt…

Und wie sieht es mit dem indischen Musikgeschmack aus? Was läuft dort im Radio; was hört die Jugend?